Radverkehrskonzepte

Das Rad wird erste Wahl

01.01.2024

„Mehr, besser, sicherer“: So lautet das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans 3.0 der Bundesregierung. Eine Herausforderung, besonders für ländliche Regionen. Im Oldenburger Münsterland sind die Lösungen kreativ. Wir schauen uns einige genauer an.

Alles mal zwei – eine Verdopplung ist das Ziel des Radverkehrsplans bis 2030. Im Vergleich zu 2017 soll sich die durchschnittliche Länge der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege pro Person von 3,7 Kilometer auf sechs Kilometer erhöhen. Und die Anzahl der Wege je Person und Rad von 120 auf 180 im Jahr zunehmen. Werte, die allein durch Freizeitverkehr nicht zu erreichen sind. Und das ist auch nicht das Ziel. Das Rad soll attraktiver für den Arbeitsweg und tägliche Erledigungen werden.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist eine bessere und vor allem sicherere Radverkehrsinfrastruktur. Neben Bund und Ländern sind die Landkreise und Kommunen gefordert. Noch sind sie Voraussetzungen für den Radverkehr in Deutschland sehr unterschiedlich. Fest steht aber auch: Neben dem positiven Effekt auf Umwelt und Klima gibt es handfeste Vorteile für die Lebensqualität. Fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Regionen werden als besonders lebendig und lebenswert geschätzt. Denn weniger Flächenbedarf, Lärm und Emissionen und sicherere Verkehrswege kommen allen Menschen zugute.

Bundesweit Spitze bei E-Bikes

Überzeugen muss man kaum jemanden im Oldenburger Münsterland, dass das Fahrrad das Fortbewegungsmittel der Zukunft ist. Mehr als jede:r dritte Bürger:in besitzt hier sogar ein Pedelec oder E-Bike. Trend steigend, wie der jüngste Eon-Energieatlas belegt. Entsprechend motorisiert bietet sich das Rad im Alltag nicht nur für Kurzstrecken an, auch längere Arbeitswege sind gut zu bewältigen. Wenn die Infrastruktur stimmt. Ebenso wie sich die Region einen hervorragenden Ruf für den Radtourismus erarbeitet hat – mit idyllischen Strecken und attraktiven Zielen – wird jetzt systematisch daran gearbeitet, auch die alltäglichen Wege komfortabel zu gestalten. Insbesondere die Verbindungen zwischen den Zentren werden unter die Lupe genommen.

Fahrradstraßen schaffen Platz

Ein Blick nach Vechta. Im Juni 2023 eröffnete mit dem Kreuzweg die erste Fahrradstraße der Stadt. Als nächstes steht der Philosophenweg an. An beiden Straßen liegen Schulen, besonders viele Schüler:innen sind hier mit dem Rad unterwegs. Auf einer Fahrradstraße hat der Radverkehr Priorität, Autoverkehr wird maximal geduldet. Die Höchstgeschwindigkeit ist deshalb auf 30 Stundenkilometer begrenzt. Vor der „rechtlichen Anordnung“, wie die Umwandlung in eine Fahrradstraße offiziell heißt, hat die Stadt die Bevölkerung informiert, welche Änderungen damit konkret anstehen. Was bedeuten die Piktogramme auf der Straße? Welche Regeln gelten beim Überholen? Wie wird der Verkehr geführt? Das erfuhren Anwohner:innen an einem Infostand und die Kinder und Jugendlichen direkt in der Schule. Denn: Nur wenn die neuen Regeln bekannt sind und eingehalten werden, wird das Ziel erreicht.

Auch die Kirchhofstraße in Cloppenburg ist eine Fahrradstraße, die Eisenbahnstraße wird ebenfalls umgewandelt. Cloppenburg wird zur Fahrradstadt. Und kämpft dabei mit den gleichen Problemen wie andere Städte und Gemeinden. Gerade wenn sich für Verkehrsteilnehmer routinierte Strecken ändern, kommt es oft zu Unzufriedenheit. Die Kirchhofstraße – mit dem Auto nur für Anwohner:innen freigegeben – wird regelmäßig als Abkürzung genutzt. Die Stadt arbeitet mit erhöhten Kontrollen dagegen. Bei der Eisenbahnstraße ist die Herausforderung noch größer. Sie ist als Fahrradstraße Teil der künftigen Radvorrangroute, soll aber auch für alle Autos freigegeben. werden Es fehlt schlicht eine Ausweichroute für den motorisierten Individualverkehr. Gegenseitige Rücksichtnahme ist gefragt.

Schnellweg für Radfahrende

Besonders schnell voran gehen soll es mit dem Rad demnächst im Landkreis Cloppenburg auf einer sogenannten „Radvorrangroute“. Breite Wege, durchgängige Verbindungen und ein guter Schutz vor dem Autoverkehr kennzeichnen diese „hochwertigen Verbindungen im Radverkehrsnetz“. Auch wenn umgangssprachlich oft der Begriff „Radschnellweg“ verwendet wird: Hierfür gäbe es eigene Kriterien. Das Ziel ist jedoch das gleiche: schnell und sicher von A nach B zu kommen.

Den Start macht eine 27 Kilometer lange Strecke von Garrel über Cloppenburg nach Emstek. Spätere Abzweigungen Richtung Friesoythe, Löningen und in den Kreis Vechta (über Langförden) sind angedacht. Das erste Teilstück von 5,1 Kilometern führt von Staatsforsten in die Cloppenburger Innenstadt und soll zur Fahrradstraße werden. Außerdem geplant: eine intelligente Beleuchtung besonders dunkler Streckenabschnitte. Nähern sich Radfahrende, schalten sich die Laternen automatisch für die Vorbeifahrt ein. In anderen Abschnitten wird die Radvorrangroute weitestgehend über separate Radwege führen. Auch in Emstek ist ein Abschnitt als Fahrradstraße angedacht, die Planungen laufen bereits.

Vom Austausch profitieren

Hilfreich für die Planungen ist für die Landkreise und die Stadt Vechta die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen Niedersachsen/Bremen e.V. (AGFK). Auch die Gemeinden Saterland und Friesoythe engagieren sich inzwischen in diesem Verein. Friesoythe strebt an, sich vom AGFK als „Fahrradfreundliche Kommune Niedersachsen“ zertifizieren zu lassen. Schon im Rahmen der Innenstadtsanierung wurde ein Shared-Space als Tempo-20-Zone eingerichtet. Das frisch erstellte Radverkehrskonzept ist nur ein weiterer Schritt.

Bei der öffentlichen Vorstellung wurde im Diskurs aber auch klar, dass eine veränderte Infrastruktur nicht alles ist. „Wir sind ja gerade am Anfang eines großen Umdenkprozesses. Der motorisierte Verkehr muss lernen, dass das Rad gleichberechtigt ist. Und dabei muss der Radfahrer auch selbstbewusster werden“, so Bürgermeister Sven Stratmann. Der Gedanke, dass ein Fahrrad als Fahrzeug grundsätzlich auf die Fahrbahn gehört, ist für viele neu. Für Radfahrende und Autofahrende ebenso wie für Fußgänger:innen. Er trägt aber maßgeblich dazu bei, ein sicheres Miteinander für alle zu gestalten. Und ist vielleicht nur eine Frage der Gewöhnung.